Gruppenfoto Auszeichnung Meilenstein Quelle: LPR

Qualitätskriterien dafür, wie Präventionsprojekte geplant, durchgeführt und bewertet werden gibt es bislang kaum. Auch sind die Möglichkeiten sich in diesem Gebiet auszutauschen, national wie international immer noch begrenzt. Doch die fachlichen Anforderungen an wirkungsvolle Kriminalprävention steigen. Deshalb hat der Landespräventionsrat Niedersachsen das Beccaria-Qualifizierungsprogramm entwickelt. Es richtet sich an Praktiker, die im kriminalpräventiven Bereich tätig sind und ihre Kenntnisse im kriminologischen, kriminalpräventiven und dem Bereich des Projektmanagements erweitern wollen. Das Programm läuft seit 2008. Etwa ein Drittel der Teilnehmer kommt aus dem Bereich der Polizei, ein Drittel aus den Kommunen und ein Drittel aus dem Bereich der Sozialen Arbeit, der Wissenschaft und Schule. Das  Qualifizierungsprogramm umfasst vier Module:

  • Kriminologie

  • Kriminalprävention

  • Projektmanagement

  • Projektbegleitung

An acht Wochenenden über ein Jahr verteilt, treffen sich die Teilnehmer in Bad Nenndorf. Die Ausbildung ist berufsbegleitend. Die Zertifizierung „Beccaria Fachkraft Kriminalprävention“ ist eine beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene Marke. Innerhalb der vergangenen sechs Jahre haben sich 150 Teilnehmer qualifiziert.

Ein begeisterter Beccarianer

Jürgen FaisDer Kölner Sozialpädagoge und Kriminologe Jürgen Fais hat als einer der ersten an der Maßnahme teilgenommen und ist heute noch begeistert. Eigentlich wollte Jürgen Fais damals Kriminologie studieren. Doch er bekam keinen Studienplatz: „Aber im Nachhinein war das gut, sonst hätte ich das Beccaria-Programm ja gar nicht kennengelernt“, sagt er heute. Es sei „super“ aufgebaut – zunächst stünden die Grundzüge der Kriminologie auf dem Lehrplan: Warum wird ein Mensch straffällig, der andere nicht, wie verlaufen kriminelle Karrieren und welche Mittel helfen, den Teufelskreis zu durchbrechen. Das alles werde nicht nur mündlich vermittelt, sondern auch mit umfangreichem Unterrichtsmaterial sinnvoll unterstützt. Als er später dann doch den Studienplatz bekam, erzählt Jürgen Fais, habe er darauf zurückgreifen können, und er habe gemerkt, wie hoch die Qualität der Beccaria-Ausbildung gewesen sei.

Wissenschaft verständlich aufbereitet

„In den Modulen haben wir gelernt, dass man aus verschiedenen Blickwinkeln auf die gleiche Geschichte schauen kann.“ Das soziologische, das psychologische und das kriminologische Auge sähen unterschiedliche Dinge. „Wir reden von gleichem und von abweichendem Verhalten, von Reaktionen – wie werde ich Opfer, wie werde ich Täter?!“ Den Ausbildern sei es gelungen, nicht nur Erfahrungswerte zu vermitteln, sondern auch wissenschaftliche Ansätze klar zu formulieren und verständlich rüberzubringen. Als besonders bereichernd empfand er den Austausch zwischen den Teilnehmern. Pro Lehrgang sind das 27 Personen, die aus ganz unterschiedlichen Berufsgruppen und Bereichen zusammenkommen.

Beccaria-Programm befruchtet die Projektarbeit

Für Jürgen Fais ist das Beccaria-Programm vor allem auch wichtig gewesen, um zu sehen, wie andere engagierte Fachleute mit gleichen Themen umgehen. „Situationen auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten, hat mich beruflich weitergebracht.“ Jürgen Fais arbeitet schon seit Anfang der 90-er Jahre im Bereich der Prävention. In seinem eigenen Institut Paravida unterstützt er Kinder und Jugendliche, Straftäter und Ehepartner, die sich gegenseitig Gewalt antun.

Beccaria for Beginners

PlakatDas erste Modul hat Stefan Weskamp hinter sich. Der Sozialarbeiter engagiert sich seit Jahren beim Jugendwerk Förderband in Siegen für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Er sucht im Beccaria-Programm vor allem den Austausch mit Fachleuten und will sich mehr theoretisches Wissen aneignen. Sein Ziel ist es, politische Gremien davon zu überzeugen, in Präventionsarbeit zu investieren. Die Fortbildung soll ihn professionalisieren, ihm schlagkräftige Argumente liefern. „Ich habe gar nicht gewusst, wie viele Kriminalitätstheorien es gibt. Dass es eine Rolle in der Kriminalitätsentwicklung spielt, wenn eine Stadt einen Stadtteil verfallen lässt. Dass Jugendliche dann das Gefühl haben, es ist sowieso alles egal und Kriminalität auf fruchtbaren Boden fällt. Und immer wieder muss man aufpassen, dass man nicht selbst ins kategorisieren verfällt, nie aufhören, sich zu hinterfragen…“

Anspornende Ausbilder

Stefan Weskamp ist beeindruckt von der Qualität der Referentin des ersten Moduls: „Sie hat nicht einfach die Power-Point-Präsentation abgespult, sie hat jeden beteiligt, auf Fragen sehr individuell geantwortet und konkrete Projekte besprochen.“ Auch, dass die Teilnehmer während der Beccaria Weiterbildung sehr viel über die Sozialisation und Moralentwicklung von Tätern erfahren und darüber, wie sich deren Verhalten auf ihre eigenen Familien und natürlich deren Opfer auswirkt, hilft ihm bei seiner Arbeit als Streetworker. „Auch kreative Projektideen in der Kriminalprävention und Möglichkeiten der praxisnahen Umsetzung bringen mir und bestimmt vielen anderen Teilnehmern in der Qualifizierung sehr viel und erweitern das Wissen.“

Der Sozialarbeiter ist schon jetzt gespannt, wie es in der Ausbildung weitergeht.

Präventionsfachkräfte „brennen“

Anja Meyer, die das Beccaria-Programm  entwickelt und über die vergangenen  zwölf Jahre geleitet hat, freut sich über dieses Lob. Sie weiß es besonders zu schätzen, weil sie erlebt hat, wie motiviert gerade Menschen sind, die in der Prävention arbeiten. Dennoch ist sie noch lange nicht am Ziel ihrer Wünsche angelangt. Sie träumt von einer Beccaria-Akademie. Aber auch bei ihrem Traum von der Akademie weiß Sie, dass Francis Bacon Recht hatte, als er sagte:

"Bei schweren Sachen ist nicht zu erwarten, dass man sowohl auf einmal säen als auch ernten kann, sondern, dass das Werk der Vorbereitung bedarf, um schrittweise zu reifen."

 

Weitere Informationen: