Die 5 Präventionsdimensionen (2) Quelle: ILS

Dort, wo ich mich sicher und geborgen fühle, da fühle ich mich zuhause und nehme Anteil an dem, was in meinem Umfeld passiert. Umfragen haben ergeben: Gerade in benachteiligten Quartieren, in denen häufig soziale Probleme auftreten, haben die Bewohner Angst vor Kriminalität, fühlen sich unsicher und ziehen sich in ihre vier Wände zurück. Aber immer mehr Menschen zieht es in die Stadt. Dort sind die Wege kürzer zur Schule, zur Arbeit, zu kulturellen Einrichtungen oder zum Krankenhaus. Doch sind die Städte den steigenden Anforderungen ihrer Bewohner an moderne Lebensqualität und ihrem gleichzeitigen Bedürfnis nach Sicherheit gewachsen?

Das Projekt „Soziale Stadt“

Schon 1993 hatte die damalige NRW-Landesregierung die Zeichen der Zeit erkannt und ein eigenes „(..) Handlungsprogramm (…) für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ - „Soziale Stadt NRW“ entwickelt. Vorhandene Ressourcen und Kräfte sollten aktiviert und vor allem auch die Bewohner beteiligt werden, um benachteiligte Wohngebiete aufzuwerten und aus ihrer Schmuddel-Ecke herauszuholen. Sechs Jahre später zog der Bund nach – das deutschlandweite Programm „Soziale Stadt“ war geboren.

Seitdem ist viel passiert. Die Stadteile wurden mit Bund- und Landesmitteln optisch erneuert, marode Immobilien abgerissen, die Qualität der Schulen verbessert, Leerstände im Einzelhandel beseitigt. All diese Aktivitäten sind durch Studien fachgerecht beurteilt - evaluiert worden, mit dem Ergebnis, dass die optischen Veränderungen und das Bemühen der Kommunen auch vermehrt soziale Projekte in den Stadtteilen zu integrieren, das Lebensgefühl der Bewohner erheblich verbessert hat. Das Thema Kriminalprävention wurde dabei in der Regel aber nur am Rande berührt.

Neue Studie zur (Kriminal-) Prävention

2014-10-16 Übersichtskarte Fallstudiengebiete (2).Das jetzt neu aufgelegte Forschungsvorhaben „Sozialräumliche (Kriminal-) Prävention in Quartieren in Nordrhein-Westfalen“ hat dagegen die (Kriminal-) Prävention in den Focus gerückt und sich Stadtteile in NRW herausgesucht, in denen ein kriminalpräventiver Ansatz schon im Erneuerungskonzept der „Sozialen Stadt“ vorgesehen war. Die Wissenschaftler entschieden sich für fünf Gebiete: Als Beispiel für eine Großstadt - Altenessen-Süd im Nordviertel der Stadt Essen, für den ländlichen kleinstädtischen Raum den Bökendorfer Grund in Brakel im Kreis Höxter und für eine mittelgroße Stadt die Großwohnsiedlung Bergheim-Süd/West. Außerdem nahmen die Forscher den Norden der Stadt Hamm sowie die Großwohnsiedlung Clarenberg in Dortmund-Hörde unter die Lupe.

Allerdings ist das Projekt „Soziale Stadt“ in den genannten Quartieren nicht gleichzeitig durchgeführt worden. Während die Maßnahmen in Essen-Altenessen gerade erst begonnen haben, sind sie in Brakel und Bergheim schon fast abgeschlossen. In Dortmund und Hamm ist das Programm seit längerem beendet. Deshalb betrachteten die Forscher dort, wie nachhaltig die Aktionen in den Stadtteilen weiter wirken.

Die Versuchsanordnung

Besonders wichtig war es den Forschern, Experten zu befragen, um herauszufinden, welche Effekte die Maßnahmen des Projektes „Soziale Stadt“ haben. Sogenannte Leitfadeninterviews sollten es Politikern, Polizisten, sowie Mitarbeitern der Stadt und von Verbänden möglich machen, frei zu kommentieren und zu berichten. Aber auch die subjektive Meinung der Bewohner war wichtig. Wissenschaftler und Studenten sprachen in den jeweiligen Stadtteilen die Menschen auf der Straße an. Die Bewohner sollten ihre persönlichen Eindrücke über die Sicherheitssituation und die Kriminalitätsentwicklung schildern. In den Großstädten interviewten die Forscher je nach Einwohnerzahl zwischen 50 und 200 Personen, wobei die Befragung einen eingeschränkt repräsentativen Charakter hat. Schließlich werteten die Wissenschaftler Daten der polizeilichen Kriminalitätsstatistik in den fünf Gebieten aus, um den subjektiven Einschätzungen aus den Interviews, objektive Fakten gegenüber stellen zu können.

Erstes Zwischenergebnis

Grundsätzlich fühlt sich die große Mehrheit der Bevölkerung in den untersuchten Quartieren sicher. Bei Menschen in den Großstädten und innerstädtischen Gebieten sind dennoch auftretende Ängste und Unsicherheiten stärker ausgeprägt, vor allem Frauen und ältere Bewohner schätzen die allgemeine Sicherheitslage schlechter ein. Und ganz wichtig, die Bewohner glauben häufig, in ihrem Quartier würden mehr Straftaten verübt, als es die objektiven Daten der Kriminalstatistik ausweisen.

Positive Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl

Durch das Projekt „Soziale Stadt“ haben sich Polizei und Ordnungskräfte besser miteinander vernetzt und zeigen sich häufiger vor Ort präsent. Die Beamten sprechen gewaltbereite Jugendliche gezielt an – Vandalismus und auch Drogendelikte gehen zurück. Die Experten sehen aber auch die Gefahr, dass sich das Problem in andere Stadtteile verlagert. Dem muss durch weiteres Vernetzen und Kooperieren von Ordnungspartnerschaften entgegen gewirkt werden, raten die Wissenschaftler.

2014-10-16 Übersicht Analyse Fallstudien (2)Auch städtebauliche Maßnahmen haben zur (Kriminal-)Prävention in den untersuchten Quartieren beigetragen. Grünflächen wurden angelegt, Hauseingänge besser beleuchtet, alte Gebäude abgerissen oder renoviert. Die Forscher gehen davon aus, dass die Bewohner ihr neugestaltetes Wohnumfeld positiv wahrnehmen und sie sich zufriedener und sicherer fühlen.

Dass die Bewohner beispielsweise selbst Spielplätze mitgestalten oder Mietgärten bewirtschaften können, also für ihr Viertel selbst Verantwortung übernehmen, trägt, davon sind die Wissenschaftler überzeugt, auch zu ihrem gesteigerten Wohlbefinden bei. Auch Feste, die Mitgliedschaft in Vereinen sowie interkulturell oder generationsübergreifende Angebote helfen den Bewohnern Vorurteile zu überwinden und sich für die Gemeinschaft zu engagieren.

Die Wissenschaftler empfehlen

Die Wissenschaftler ziehen in der Summe ein positives Resümee. Allerdings müsse mehr dafür getan werden, dass die Bewohner die Errungenschaften der „Sozialen Stadt“ noch besser wahrnehmen. Damit sich die Menschen dauerhaft sicher fühlen, empfehlen die Forscher die Prävention von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu einem festen Bestandteil des Projektes machen. Denn nur so könnten die Behörden konkret analysieren, woher die Unterschiede in der subjektiven Wahrnehmung der Menschen zu den objektiven Fakten der Kriminalitätsstatistik rühren und dafür sorgen, dass sich die Bewohner der Quartiere auf Dauer sicherer fühlen. Polizei, Schulen, Jugendämter, Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Vereine sowie Sozial- und Stadtplaner sollen eng zusammenarbeiten, um problematische Orte und Situationen in den Fokus nehmen und Probleme direkt und zielgerichtet beseitigen zu können. Zum guten Schluss sorge eine entsprechende Kommunikation mit den Medien dafür, dass die Maßnahmen publik gemacht und damit auch in der breiten Bevölkerung registriert würden.

 

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