Chancenschein Quelle: Borsig11

Das Projekt „Public Residence: Die Chance“ soll die Menschen rund um den Dortmunder Borsigplatz besser in das soziale Leben ihres Stadtteils integrieren und dafür sorgen, dass sich die Bewohner als Teil einer Gemeinschaft fühlen. Die Idee, vier Künstler für ein Jahr an den Borsigplatz einzuladen, um mit ihren Mitmach-Projekten den Stadtteil zu beleben, hatte der Verein Machbarschaft Borsig11. Mit dem Preisgeld von 200.000 Euro des Förderpreises faktor kunst 2013 der Bonner Montagsstiftung Kunst und Gesellschaft kann der Verein das Projekt jetzt in die Tat umsetzen. Den Verein und die Stiftung haben die Künstler gemeinsam ausgesucht und arbeiten im Projekt eng zusammen.

Vier Künstler im Viertel

Anfang Juni sind sie eingezogen in Wohnungen rund um den Borsigplatz: Susanne Bosch, Frank Bölter, Angela Ljiljanic und Henrik Mayer. Sie müssen keine Miete bezahlen und erhalten ein Honorar von 1.000 Euro im Monat. Die Künstler haben allerdings die Aufgabe, die Bewohner zu motivieren. Denn nur mit deren Hilfe können sie ihre Kunstprojekte umsetzen.

  • Das Thema von Susanne Bosch ist die Demokratie und was Menschen sich darunter vorstellen. Die Künstlerin und Kunstforscherin hat viele Jahre unter anderem in Palästina, Spanien, Irland und der Türkei Projekte mit Anwohnern umgesetzt. Mit ihnen hat sie Antworten gefunden auf so wichtige Fragen wie: Welche Chancen bieten demokratische Strukturen, wie gelingt es in einem solchen System mit dem was man kann und kennt gut zu leben? Wie kann ein Umgang mit migrantischer Vielfalt in nicht als Bürde, sondern als zukünftiges kulturelles Kapital eingesetzt und verstanden werden?

  • Frank Bölter sind die Menschen und ihre Umgebung wichtig, und dass das Projekt, an dem sie sich beteiligen, sie wirklich berührt. In einem westfälischen Dorf baute er gemeinsam mit seinen Nachbarn ein lebensgroßes Papierhaus. Soldaten und Geflüchteten aus einem Kriegsgebiet ließ er Panzer aus Papier falten und erlebte, wie der eine im Müll und der andere im Museum landete.
  • Angela Ljiljanic fragt zum Beispiel, was deutsche Frauen und ihre Geschlechtsgenossinnen aus dem ehemaligen Jugoslawien verbindet? Die Antwort geben Schnittmusterbögen von Burdamoden. Die fertigen Kleidungsstücke machen die Gemeinsamkeiten augenfällig. Die Künstlerin interessieren die verschwimmenden Grenzen zwischen dem Scheitern und der Möglichkeit, alternative Wege zum Ziel zu finden.
  • Henrik Mayer nennt sein Projekt, das er gemeinsam mit seinem Partner Martin Keil betreibt: REINIGUNGSGESELLSCHAFT. Die beiden interessiert die Schnittstelle von Kunst und gesellschaftlichen Problemen. So haben sie - wie die Gebrüder Grimm - Geschichten von Anwohnern eines Stadtgebietes gesammelt und sie öffentlich wiedererzählt. Oder sie demonstrieren wie Menschen mit öffentlich zugänglichen Sporträdern Strom produzieren können.

 

Borsig11_HofkulturWelche Projekte die vier Künstler in Dortmund umsetzen, hängt auch von den Anwohnern ab. Die Mitglieder des Vereins und die Künstler werden von Tür zu Tür gehen, um die Bewohner rund um den Borsigplatz zum Mitmachen zu bewegen. Und Volker Pohlüke, einer der beiden Vorstände des Vereins Machbarschaft Borsig11, ist zuversichtlich: „Es wird sich schnell rumsprechen, dass es guttut, sich einzubringen nach dem Motto: Ich habe etwas für die Allgemeinheit getan, das auch mir selbst zugute kommt.“

Eine neue Währung – Die Chance

Jeder Anwohner des Borsigplatzes bekommt kostenlos 100 Chancen (jur. Gutschein), die 100 Euro wert sind. Allerdings gilt diese Währung nur im Rahmen des Projektes Public Residence. Auch Kinder und Jugendliche dürfen mitmachen, ihre Eltern müssen aber damit einverstanden sein.

Die Chancen können die Anwohner einem der vier Künstler geben und damit ein Projekt unterstützen oder sie auf alle vier Kunstprojekte verteilen. Wer will, hat aber auch die Möglichkeit, seine Chancen noch zu verbessern. Wer sich selbst an den künstlerischen Aktivitäten beteiligt, wird vom Künstler mit neuen Chancen bezahlt, die er dann wieder einsetzen kann, um sein Lieblingsprojekt zu fördern. Die Künstler kaufen mit ihren Chancen die notwendigen Materialien, um die Ideen Wirklichkeit werden zu lassen.

Public Residence – Eine Vision für die Zukunft

Volker Pohlüke vom Verein Machbarschaft Borsig11 hat eine Vision: Mit dem Projekt will er die Zukunft von schwierigen Stadtteilen neu gestalten. „Wenn die Leute auf die Währung eingehen und wirklich mitmachen, kann sich das Projekt ausweiten. Mit den Chancen können die Anwohner dann vielleicht auch eigene kulturelle Leistungen untereinander tauschen, irgendwann vielleicht sogar Handwerker bezahlen, ihre Pizza oder den Nachbarn, der ihnen beim Umzug hilft. Die Chancen als lokale Währung: „Wenn die Rente nicht reicht, dann helfen den Menschen rund um den Borsigplatz vielleicht irgendwann die „Chancen“, die sie sich verdient haben, weil sie gelernt haben, sozial zu denken und sich einzubringen,“ so formuliert Pohlüke seine Wünsche für die Zukunft. Toll fände er es, wenn sich das Projekt auch in anderen Kommunen verwirklichen ließe.

Die Montag Stiftungen – Nur Gemeinsam sind wir stark

Borsigplatz„Ja, es trifft wohl zu. Jeder Mensch ist seines eigenen Glückes Schmied. Wohl dem, der sich auf dieses Handwerk versteht, dem Kraft und Freiheit gegeben ist, sein Gewerbe auszuüben und der die Verpflichtung in sich spürt, dabei auch zum Wohle seiner Mitmenschen und der Gemeinschaft zu wirken.“

Mit dieser Grundhaltung hat Carl Richard Montag seine Stiftungsgruppe ins Leben gerufen. Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Montag Stiftung Urbane Räume und Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft bilden drei Stiftungen unter einem Dach. Sie haben den Anspruch, vor allem benachteiligter Bevölkerungsgruppen die aktive Teilhabe an dem materiellen und immateriellen Werten der Gesellschaft zu ermöglichen